Kein ärztlicher Eingriff darf ohne die Einwilligung des Patienten erfolgen. Ohne Einwilligung wird der ärztliche Eingriff zur Körperverletzung und zum Haftungsfall für den Arzt.
Voraussetzung dafür, dass der Patient in die Behandlung einwilligen kann, ist jedoch, dass er über genügend Informationen verfügt, um Bedeutung, Risiko und Alternativen einer Behandlung abschätzen zu können. Hierzu ist die umfassende Aufklärung durch den Arzt erforderlich. Die Aufklärungspflicht stellt deshalb auch eine der Hauptpflichten des Behandlungsvertrages dar.
Aufklären muss der Arzt den Patienten über jeden medizinischen Eingriff und jede Medikation und sei sie noch so klein. Unerheblich ist dabei auch, dass die gewählte Behandlungsmethode möglicherweise die einzige erfolgversprechende ist. Denn das Recht, als informierter Patient selber entscheiden zu können, ob die Behandlung gewollt ist und sie auch gegen jeden medizinischen Rat abzulehnen, folgt aus dem grundgesetzlich geschützten Selbstbestimmungsrecht des Patienten.
Der Bundesgerichtshof hat dazu ausgeführt (BGH, Urteil vom 22.01.1980, VI ZR 263/78):
"Der Anspruch des Patienten auf eine angemessene Aufklärung über die Gefahren des Eingriffs, in den er einwilligen soll, ist Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts über seine Person. Er soll ihn davor schützen, daß sich der Arzt ein ihm nicht zustehendes Bevormundungsrecht anmaßt, und auch sein Recht gewährleisten, bezüglich seines Körpers und seiner Gesundheit wissentlich sogar Entscheidungen zu treffen, die nach allgemeiner oder wenigstens herrschender ärztlicher Meinung verfehlt sind."
Die Aufklärungspflicht des Arztes besteht bei jeder diagnostischen und therapeutischen Maßnahme. Grundsätzlich muss der Arzt über die Diagnose und ihre Bedeutung aufklären, über die Behandlungsmethode, ihre Nebenwirkungen und Risiken und über mögliche Alternativen.
Dabei gilt: Je dringlicher und zwingender ein Eingriff medizinisch ist, desto weniger streng sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht. Deshalb unterscheidet sich der Umfang der Aufklärungpflicht bei einer Notoperation von der einer Schönheitsoperation erheblich.
Aufgrund des oben beschriebenen Selbstbestimmungsrechts muss die Aufklärung so erfolgen, dass der Patient in der Lage ist, eigenständig zu beurteilen, ob er die ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen möchte oder nicht. Der Arzt muss also über alles informieren, was für die Entscheidung relevant sein könnte. Er muss daher auch stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen.
Dies ist insbesondere hinsichtlich des Berufs des Patienten relevant. Benötigt er für seinen Beruf unbedingt einen bestimmten Teil seines Körpers und kann gerade dieser Teil bei der geplanten Behandlung Schaden nehmen, ist dies natürlich für den Patienten von besonders entscheidender Bedeutung. So ist ein Lehrer, Dolmetscher oder Opernsänger anders über eine bevorstehende Kehlkopfoperation aufzuklären als ein Klempner, der wiederum über eine mögliche Schädigung seiner Hände genauer aufzuklären wäre, als der Sänger.
Grundsätzlich ist der Patient nur „im Großen und Ganzen“ aufzuklären. Dabei muss ihm stets die Möglichkeit eingeräumt werden, Fragen zu stellen, die der Arzt wahrheitsgemäß beantworten muss. Der Patient muss so rechtzeitig aufgeklärt werden, dass er ausreichend Überlegenszeit hat und bei ihm nicht der Eindruck entsteht, er könne seine Einwilligung nicht mehr verweigern.
Die Aufklärung über eine Operation darf deshalb nicht erst auf dem Behandlungstisch sondern muss grundsätzlich am Vortag erfolgen, sofern der Zustand des Patienten nicht eine sofortige Operation erforderlich macht, die nur eine Aufklärung kurz vorher zulässt.
Im Einzelnen wird die Aufklärungspflicht in die Diagnose-, Behandlungs-, und Risikoaufklärung eingeteilt. Des Weiteren besteht eine Pflicht zur Aufklärung über Behandlungsalternativen und über Methoden, die neu und medizinisch noch nicht oder noch nicht vollständig erprobt sind. Schließlich besteht eine Hinweispflicht auf weitere therapeutische und diagnostische Alternativen zu der vorgeschlagenen Behandlung.
Diagnoseaufklärung bedeutet die Aufklärung über den medizinischen Befund des Patienten. Hierzu gehört eine Erklärung über die Krankheit, an welcher der Patient leidet, sowie über ihren typischen Verlauf.
Die Behandlungsaufklärung umfasst Hinweise auf den geplanten Eingriff selbst sowie auf die zu erwartenden Auswirkungen nach der Operation.
Die Risikoaufklärung bildet zumeist den Schwerpunkt in Arzthaftungsprozessen. Sie erfordert eine Aufklärung über alle Risiken, die typischerweise bei einem Eingriff dieser Art auftreten können, unabhängig davon, wie wahrscheinlich ihr Eintritt ist; dies umfasst auch das Risiko des möglichen Fehlschlagens der Behandlung. Über sonstige allgemeine Risiken, wie sie bei jeder ärztlichen Behandlung auftreten können, muss nur aufgeklärt werden, sofern auch ein vernünftiger Patient nicht mit ihnen zu rechnen brauchte oder wenn der Eingriff aus medizinischer Sicht nicht unbedingt notwendig (indiziert) ist.
Dies wird vor allem bei Schönheitsoperationen relevant, da diese in der Regel nicht indiziert sind. Hier muss der behandelnde Arzt den Patienten über alle möglicherweise auftretenden Risiken besonders umfassend, drastisch und schonungslos aufklären. Dasselbe gilt für fremdnützige Behandlungen, wie Organ- oder Blutspenden, da auch diese in der Regel nicht indiziert sind sowie für Behandlungen von Leiden, mit denen der Patient bis dahin schon länger gelebt und auf die er sich eingestellt hat.
Nein. Eine Aufklärung über Behandlungsalternativen ist normalerweise nicht erforderlich. Dem Arzt wird aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis zugetraut, die Methode auszuwählen, die den meisten Erfolg verspricht und für den Patienten das geringste Risiko verspricht.
Eine Aufklärung ist aber dann geboten, wenn es mehrere gleich gute Behandlungsmöglichkeiten gibt, die sich hinsichtlich der möglichen Risiken oder Komplikationen oder der Belastung für den Patienten aber wesentlich unterscheiden.
Dies umfasst auch die Möglichkeit, zunächst von einer Behandlung abzusehen. Rechtlich problematisch ist insofern, wenn der Arzt es bevorzugt, auf die Selbstheilungskräfte des Patienten zu vertrauen und nur unterstützend (durch Massagen oder ähnliches) eingreift, obwohl es auch die Möglichkeit einer Operation gebe, die in gleichem Maße erfolgversprechend wäre. Einerseits bedarf der Arzt hier gar keiner Einwilligung des Patienten, da er keinen Eingriff vornimmt. Andererseits schränkt er den Patienten durch die Nichtaufklärung in seinem Selbstbestimmungsrecht ein und hat somit grundsätzlich die Pflicht zur Aufklärung. Verlangt der Patient in diesem Fall vom Arzt Schmerzensgeld oder Schadensersatz, muss er nicht nur darlegen, sondern auch beweisen, dass er bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Operation bevorzugt hätte.
Ja. Will der Arzt eine Behandlung mit einer Außenseitermethode durchführen, ist eine besonders umfassende Aufklärung einschließlich der Tatsache, dass es sich um eine noch nicht ausgereifte Behandlung handelt, notwendig. Grundlegend und umfassend hat der BGH die Aufklärungspflicht des Arztes bei der Anwendung von so genannten Außenseitermethoden in einer Entscheidung dargelegt, in der es um die Behandlung eines Bandscheibenvorfalls mit einem "Racz-Katheter" ging (BGH, Urteil vom 22.05.2007, VI ZR 35/06).
Andersherum muss der Arzt jedoch nicht auf alternative Behandlungsmethoden hinweisen, deren medizinische Wirksamkeit nicht wissenschaftlich belegt ist.
In Bezug auf weitere diagnostische Möglichkeiten, hat der Arzt nur auf solche hinzuweisen, die bei der entsprechenden Diagnose dem medizinischen Standard entsprechen. Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Behandlung nicht, muss der Patient auch hierüber aufgeklärt werden.
Daneben gibt es noch die therapeutische Sicherheitsaufklärung: Der Arzt muss den Patienten darüber informieren, wie er sich verhalten muss, um die Heilung zu fördern bzw. nicht zu verhindern. Dazu gehören etwa Hinweise auf eine bestimmte Ernährung, darauf bestimmte Belastungen zu vermeiden, bestimmte Medikamente oder Alkohol nicht einzunehmen oder der Hinweis auf eine mögliche Fahruntüchtigkeit.
Bei Minderjährigen, die die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Folgen nicht beurteilen können, muss die Aufklärung gegenüber den Erziehungsberechtigten erfolgen. Das bedeutet aber auch: Fehlende Volljährigkeit ist nicht gleichzusetzen mit fehlender Einsichtsfähigkeit. Je nach Alter und Tragweite der Entscheidung kann also durchaus ausschließlich der Minderjährige aufzuklären sein. So mag ein 14jähriger über die Behandlung eines Armbruchs selber entscheiden können, nicht aber über eine Armamputation.
Die Aufklärung sollte jedenfalls auch immer gegenüber dem Minderjährigen erfolgen. Denn ob der Minderjährige das erforderliche Urteilsvermögen besitzt, wird im Einzelfall entschieden. Bestehen Zweifel an der Einsichtsfähigkeit, sind daneben die Eltern bzw. die gesetzlichen Vertreter aufzuklären.
Die Rechtsprechung geht, auch wenn hier noch viel Streit besteht, wohl davon aus, dass bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen alleine die Eltern über die Behandlung entscheiden dürfen, dass dem Minderjährigen allerdings ein Vetorecht zusteht bei nicht absolut indizierten Eingriffen, die mit erheblichen Folgen für die Lebensgestaltung des Minderjährigen einhergehen können.
Dabei wird üblicherweise bei Routineeingriffen davon ausgegangen, dass die Aufklärung eines Elternteils ausreicht. Bei schweren Eingriffen müssen beide Elternteile aufgeklärt werden.
Die Aufklärungspflicht trifft grundsätzlich den behandelnden Arzt, sie kann aber auch einem Arzt mit gleichem Fachwissen übertragen werden.
Kommt der Arzt seiner Aufklärungspflicht nicht nach und kann der Patient demnach gar keine Einwilligung erteilt haben, macht er sich - wie oben dargestellt - unabhängig davon, ob der Patient bei der Behandlung zu Schaden kommt, der Körperverletzung strafbar (so geschehen im „Zitronensaftfall“). Stirbt der Patient aufgrund der Behandlung, macht er sich unter Umständen sogar der fahrlässigen Tötung strafbar.
Darüber hinaus können der Arzt sowie das Krankenhaus in beiden Fällen auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt werden.
Voraussetzung für den Erfolg des Patienten in einer solchen Klage ist, dass der Patient darlegt, es hätte keine Aufklärung stattgefunden und er hätte bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht in die Behandlung eingewilligt. Der Arzt muss dann das Gegenteil beweisen.
Hinsichtlich der Anforderungen an die Erbringung dieses Beweises ist zu differenzieren: zunächst muss der Arzt beweisen, dass überhaupt ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat. Ein entsprechendes vom Patienten unterschriebenes Schriftstück ist hier ein starkes Indiz. Dies gilt umso mehr, wenn sich handschriftliche Hinweise darauf befinden.
Hinsichtlich des tatsächlichen Inhalts des Gesprächs muss der Arzt nur darlegen, dass er lückenlos stets Aufklärungsgespräche führt. Schwierig ist der Nachweis für den Arzt, der Patient hätte auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt. Hier kann er nämlich nicht einfach davon ausgehen, was ein "vernünftiger" Patient getan hätte, da der Patient eben auch das Recht hat, aus medizinischer Sicht unvernünftige Entscheidungen zu treffen. Der Arzt muss also nachweisen, dass gerade der klagende Patient in die Behandlung eingewilligt hätte.
In Notfällen kann auf die Aufklärung verzichtet werden. Dies ist der Fall, wenn die medizinische Behandlung zum Wohl des Patienten dringend notwendig und eine Aufklärung nicht möglich ist. Der Arzt kann dann von einer mutmaßlichen Einwilligung des Patienten in die Behandlung ausgehen. Ist eine Aufklärung möglich, d.h. der Patient ansprechbar und entscheidungsfähig, ist jedoch auch in Notfällen eine Aufklärung unerlässlich.
Der Arzt kann bei unterbliebener oder fehlerhafter Aufklärung den Einwand der hypothetischen Einwilligung erheben. Dazu muss er behaupten, dass der Patient sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der Operation entschieden hätte. Diese Behauptung muss er beweisen.
Der Patient kann sich gegen die Beahuptung wehren, indem er plausibel darlegt, dass er sich bei korrekter Aufklärung über die Risiken der Behandlung in einem Entscheidungskonflikt befunden hätte, d.h. die konkrete Behandlung eventuell nicht hätte vornehmen lassen.
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Letzte Überarbeitung: 6. Februar 2013