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Krankenhausrecht aktuell: 11/007 Kündigung: Nachschieben von Gründen im Kündigungsschutzprozess |
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Zur Zulässigkeit des Nachschiebens von Gründen im Kündigungsschutzprozess bei bestehender Mitarbeitervertretung
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 03.11.2010 ,15 Sa 1738/10
Leitsatz des LAGs Berlin-Brandenburg:
„Ein evangelisches Krankenhaus kann sich in Kündigungsschutzprozessen nicht auf den Kündigungsgrund der dauernden Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung berufen, wenn es der Mitarbeitervertretung nur Gründe aus dem Bereich häufiger Kurzerkrankungen mitgeteilt hat.“
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11.04.2011. Erhebt der Arbeitnehmer innerhalb von drei Wochen nach Zugang einer Kündigung Kündigungsschutzklage, überprüft das Gericht, ob die Kündigung „objektiv“ rechtmäßig war. Der Arbeitgeber kann die Kündigung dabei vor Gericht auf jeden Grund stützen, der im Zeitpunkt der Kündigung objektiv vorlag. Und zwar unabhängig davon, ob er ihn in diesem Zeitpunkt bereits kannte, ob er ihn zu seiner Kündigungsentscheidung veranlasste oder auch ob er die Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer anders begründet hatte. Man spricht vom „erlaubten Nachschieben von Kündigungsgründen“. Dieses „Nachschieben“ ist erlaubt, weil der Arbeitgeber eine Kündigung bevor es zum Rechtsstreit kommt nicht begründen muss. Noch einmal betont sei aber, dass er nur Gründe nenne kann, die bei der Kündigung bereits vorlagen.
Besteht allerdings im Betrieb ein Betriebsrat, dann muss der Arbeitgeber ihn gemäß § 102 Abs. 1 S.1 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG vor Ausspruch jeder Kündigung anhören gleich ob sie ordentlich oder außerordentlich und gleich ob das Kündigungsschutzgesetz - KSchG anwendbar oder unanwendbar ist. Zweck des Anhörungsverfahrens ist es, in geeigneten Fällen die Kündigung ohne Rechtsstreit doch noch zu verhindern. Zur Anhörung gehört unter anderem, dass der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung mitteilt (§ 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG). Grundsätzlich führt eine fehlerhafte Anhörung ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Kündigung (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Teilt der Arbeitgeber unter mehreren Gründen, die die Kündigung seiner Meinung nach rechtfertigen würden einen nicht mit, macht dies die Anhörung allerdings nicht fehlerhaft. Der Arbeitgeber kann sich dann aber im Kündigungsschutzprozess nicht auf diesen Grund berufen. Tragen die Gründe, zu denen angehört wurde die Kündigung nicht, hat die Kündigungsschutzklage Erfolg. Anders als in der zuvor beschriebenen „normalen“ Situation ist das Nachschieben von Kündigungsgründen also bei Bestehen eines Betriebsrates verboten, der Arbeitgeber kann kein Ass im Ärmel verstecken.
In Krankenhäusern mit Mitarbeitervertretung ist es nicht anders. Auch dann nicht, wenn es sich um ein öffentliches oder kirchliches Krankenhaus handelt. Zwar ist hier das Betriebsverfassungsgesetz nicht anwendbar. Für die Mitarbeitervertretung gelten die Mitarbeitervertretungsordnungen (MAVO) bei katholischen, die Mitarbeitervertretungsgesetze (MVG) bei evangelischen und die Personalvertetungsgesetze (PersVG) in öffentlichen Krankenhäusern. Aber obwohl die jeweiligen Regelungen (§§ 38 Abs. 1 Satz 2, § 42 b MVG; §§ 30, 31 MAVO; § 79 BPersVG) dem § 102 BetrVG nicht völlig entsprechen und obwohl gerade im kirchlichen Bereich der Arbeitnehmerschutz tendenziell eher schwächer ausgestaltet ist: Bezüglich der Anhörung der Mitarbeitervertretung vor einer Kündigung legen sowohl staatliche als auch kirchliche Gerichte den Maßstab des § 102 BetrVG an. So auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 03. November 2010, 15 Sa 1738/10.
Der Arbeitgeber, ein evangelisches Krankenhaus, hatte einer Krankenschwester gekündigt. Diese war in den vergangenen Jahren häufig krank, ein halbes Jahr vor der Kündigung dann dauerhaft arbeitsunfähig gewesen. Schließlich wurde bei ihr eine Behinderung von 50 % festgestellt. Vor der Kündigung hörte der Arbeitgeber die Mitarbeitervertretung an. Er begründete die Kündigung lediglich mit den häufigen Kurzerkrankungen und damit, dass ihretwegen auch zukünftig häufig mit Störungen im Betriebsablauf zurechnen sei. Eine sogenannte Personenbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen bei negativer Gesundheitsprognose. Die Mitarbeitervertretung äußerte sich nicht zur Kündigung, das Integrationsamt gab seine notwendige Zustimmung. Die Arbeitnehmerin erhob Kündigungsschutzklage. Anders als gegenüber der Mitarbeitervertretung begründete die Arbeitgeberin die Kündigung nun vor Gericht ausschließlich damit, dass die Klägerin aufgrund ihrer festgestellten Behinderung künftig dauerhaft nicht mehr in der Lage sein werde, ihren Arbeitsvertraglichen Pflichten als Krankenschwester überhaupt nachzukommen. Eine sogenannte Kündigung wegen dauerhafter Unmöglichkeit der Leistung.
Das Arbeitsgericht Berlin und in der Berufungsinstanz das LAG Berlin-Brandenburg gaben der Klage statt. Auf die dauernde Arbeitsunfähigkeit der Klägerin konnte sich die Arbeitgeberin nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht berufen, weil sie den Betriebsrat nicht angehört hatte. Da sie andere Gründe nicht vorgetragen hatte, war die Kündigung unwirksam.
Praxishinweis:
Hinzuweisen ist darauf, dass nach der MAVO die Anhörungspflicht vor einer ordentlichen Kündigung erst nach sechsmonatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses beginnt. Das „Verbot des Nachschiebens von Gründen“ rettet den Arbeitnehmer überdies nicht in jedem Fall. Nach § 9 KSchG kann der Arbeitgeber nämlich, wenn das Gericht die Sozialwidrigkeit der Kündigung festgestellt hat, einen Auflösungsantrag stellen. Ist ihm das Festhalten am Arbeitsverhältnis trotz Soialwidrigkeit nicht zuzumuten, beendet das Gericht es gegen eine Abfindung trotz Unwirksamkeit der Kündigung. Und obwohl die besseren Argumente wohl dafür sprechen, dass der Auflösungsantrag nur auf Gründe gestützt werden darf, die nach der Kündigung eingetreten sind: Die Rechtsprechung erlaubt es dem Arbeitgeber hier auch „Nachgeschobene“ Gründe anzuführen, zu denen er die Mitarbeitervertretung nicht angehört hat.
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Letzte Überarbeitung: 18. April 2012
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