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Krankenhausrecht aktuell: 11/002 Körperverletzung mangels Aufklärung über Wundbehandlung mit Zitronensaft




Körperverletzung bei fehlender Aufklärung über Anwendung von Zitronensaft zur Wundheilung

BGH, Urteil vom 22.12.2010, 3 StR 239/10

Leitsatz des BGH:

„Zur erforderlichen Patientenaufklärung durch einen Chirurgen über dessen Absicht, bei einer Folgebehandlung, die wegen der Verwirklichung eines der Erstoperation typischerweise anhaftenden Risikos notwendig werden könnte, auch eine Außenseitermethode anzuwenden.“

Ärztlicher Heileingriff ohne Einwilligung ist eine Körperverletzung

11.03.2011. Jeder ärztliche Heileingriff, insbesondere jede Operation (OP), ist strafrechtlich eine Körperverletzung. Von der Spritze bis zur Amputation, unabhängig davon, ob zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken. Natürlich ist eine kunstgerechte Behandlung in aller Regel nicht strafbar. Sie ist gerechtfertigt, wenn der Patient vorher wirksam eingewilligt hat. Nur so, hierin ist sich die Rechtsprechung einig, wird dem verfassungsrechtlich verbürgten Selbstbestimmungsrecht des Patienten Rechnung getragen.

Um wirksam einwilligen zu können, muss der Patient aufgeklärt sein. Kern der Aufklärungspflicht des Arztes sind die möglichen Folgen des Eingriffs. Es gilt: Die medizinischen Einzelheiten muss der Arzt nicht alle genau erläutern. Er muss aber einen zutreffenden Gesamteindruck von den möglichen Folgen des Eingriffs für die körperliche Integrität und zukünftige Lebensführung des Patienten vermitteln. Je schwerer eine mögliche Folge ist, desto eher muss darüber aufgeklärt werden, auch wenn ihr Eintritt sehr unwahrscheinlich ist.

Zeitlich muss der Arzt normalerweise vor dem jeweiligen Eingriff aufklären, so zeitig, dass der Patient noch eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann. Nur in Ausnahmefällen gehört demnach aber zur Aufklärung über die Folgen eines Eingriffs auch bereits die Aufklärung über Risiken, die erst mit einer möglicherweise notwendig werdenden Folgebehandlung - etwa einer zweiten OP - verbunden sind. 

Wirksame Einwilligung nur bei Aufklärung über die Behandlungsmethode

Ein weiterer Aspekt der Aufklärungspflicht betrifft die gewählte Behandlungsmethode. Über Alternativen zu der gewählten Behandlungsmethode muss der Arzt nur informieren, wenn sie ähnlich erfolgversprechend und mit wesentlich anderen Belastungen für den Patienten verbunden sind. Über Methoden, die die noch nicht hinreichend erforscht sind, muss er nicht aufklären. Er ist aber nicht per se strafbar, wenn er selbst solche „Außenseitermethoden“ anwendet. Er muss allerdings deutlich darauf hinweisen und insbesondere darüber aufklären, dass die Folgen der Methode nicht erforscht und demnach die Risiken nicht bekannt sind.

Vor diesem Hintergrund hat der BGH in einem aktuellen Urteil zwar verneint, dass vor einer Operation die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eine Folgebehandlung notwendig macht, über die Anwendung einer Außenseitermethode bei dieser Folgebehandlung aufgeklärt werden muss. Jedoch hat der Gerichtshof entschieden, dass jedenfalls die fehlende Aufklärung vor der zweiten OP zu einer Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung führt (BGH, Urteil vom 22.12.2010, 3 StR 239/10).

Nicht die Behandlung mit Zitronensaft, sondern die fehlende Aufklärung, ist strafbar

In dem Fall des BGH hatte der angeklagte Chirurg seine Patientin vor einer Darm-OP nicht darüber aufgeklärt, dass er beabsichtigte, nach einer möglicherweise zur Bekämpfung von Wundheilstörung notwendig werdenden Folge-OP, Zitronensaft zur Wundheilung einzusetzen. Nachdem eine Folge-OP tatsächlich erfolgt war, behandelte der Angeklagte die OP-Wunde mit unsterilem Zitronensaft, den er in der Küche der Klinik auspressen ließ.

Das Landgericht verurteilte den Arzt in erster Instanz wegen Körperverletzung mit Todesfolge (LG Mönchengladbach, Urteil vom 15. Januar 2010, 502 Js 1222/06). Schon vor der ersten OP habe der Angeklagte darüber aufklären müssen, dass er üblicherweise Zitronensaft zur Wundheilung einsetze. Die zur ersten OP erteilte Einwilligung sei deshalb unwirksam.
Der BGH hob das Urteil auf und verwies zurück an das Landgericht. Eine Aufklärungspflicht über die Risiken und Folgen einer Behandlung der Wundheilstörungen habe vor der ersten OP nicht bestanden. Allerdings stand für den BGH fest, dass sich der Angeklagte durch die zweite OP wegen Körperverletzung strafbar gemacht hat. Vor dieser hätte er darüber aufklären müssen, dass er die OP-Wunde mit Zitronensaft behandeln würde.

Fazit: Will der Arzt eine Außenseitermethode anwenden, muss er den Patienten entsprechend aufklären. Grundsätzlich allerdings erst, bevor diese Methode wirklich zum Einsatz kommen soll. Unterlässt er die Aufklärung, macht er sich strafbar und haftet im Übrigen auf Schadensersatz wegen eines Behandlungsfehlers. Eine Pflicht zur Aufklärung über mögliche Risiken einer Folgebehandlung schon vor der ersten OP besteht aber nur, wenn ihr bereits das Risiko einer Folgebehandlung spezifisch anhaftet.

Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass die zweite OP allein wegen der fehlenden Aufklärung über die Risiken der Behandlung mit Zitronensaft eine Körperverletzung darstellt. Und zwar eine gefährliche Körperverletzung, weil der Arzt ein Skalpell eingesetzt hat. Der Einsatz von Zitronensaft zur Behandlung der Wundinfektion muss nicht die Todesursache gewesen sein.

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Letzte Überarbeitung: 18. April 2012

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