Das Bundesarbeitsgericht (BAG) vor einigen Jahren entschieden, dass eine zeitlich unbegrenzte Überlassung von Leiharbeitnehmern gem. § 1 Abs.1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG gesetzeswidrig ist und dass der Betriebsrat des entleihenden Betriebs einer solchen, zeitlich unbegrenzten Einstellung von Leiharbeitnehmern widersprechen kann (BAG, Beschluss vom 10.07.2013, 7 ABR 91/11. Der Widerspruch basiert auf § 99 Abs.2 Nr.1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).
Grundlage für die Regelungen des AÜG ist die Leiharbeitsrichtlinie aus dem Jahre 2008, d.h. die Richtlinie 2008/104/EG. Diese beinhaltet zwar den allgemeinen Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer dieselben Arbeitsbedingungen haben müssen wie vergleichbare Arbeitnehmer der Stammbelegschaft im Entleiherbetrieb. Wenn die Leiharbeitnehmer aber von "ihrem" Arbeitgeber, d.h. der Zeitarbeitsfirma, auf der Grundlage von (speziellen Leiharbeits-)Tarifverträgen bezahlt bzw. beschäftigt werden, besteht eine Ausnahme dieses Grundsatzes.
Werden also Leiharbeitnehmer von der Zeitarbeitsfirma nicht auf der Grundlage eines solchen Tarifvertrags beschäftigt, gilt auch nach deutschem Recht (§ 9 Nr.2 erster Halbsatz AÜG) der Grundsatz des "equal pay" bzw. "equal treatment", und zwar .
Hierbei ergibt sich ein juristisches Problem betreffend die Schwestern des DRK. Diese sind nach deutschem Recht keine Arbeitnehmerinnen, sondern Mitglieder einer der 33 in Deutschland bestehenden Schwesternschaften des DRK. Sie haben als Vereinsmitglieder keinen Arbeitsvertrag mit ihrer Schwesternschaft, sondern müssen kraft ihrer Mitgliedschaft ihre gesamte Arbeitskraft in den karitativen Dienst des DRK stellen. Dafür genießen sie eine ähnliche soziale Absicherung wie Arbeitnehmerinnen, d.h. sie können bezahlten Urlaub machen, bekommen bei Krankheit Entgeltfortzahlung usw.
Nach deutschem Recht ist daher klar, dass , denn sie sind keine Arbeitnehmerinnen. Und wenn Rotkreuzschwestern nicht in eigenen Einrichtungen des DRK eingesetzt werden, sondern im Wege der Personalgestellung an andere Kliniken "ausgeliehen" werden, ist das nach deutschem Recht keine Arbeitnehmerüberlassung, da die überlassenen Rotkreuzschwestern keine Arbeitnehmerinnen sind. Dementsprechend gelten auch die Vorschriften des AÜG nicht für Rotkreuzschwestern. Der Betriebsrat einer Klinik, die neben ihren eigenen Arbeitnehmern Rotkreuzschwestern einsetzt, und zwar dauerhaft bzw. zeitlich unbegrenzt, kann in dem Fall dem Einsatz der Rotkreuzschwestern nicht unter Berufung auf § 99 Abs.2 Nr.1 BetrVG widersprechen.
Falls diese deutsche Rechtspraxis europarechtswidrig ist, könnte aber mit dieser Herausnahme der Rotkreuzschwestern vom Anwendungsbereich des AÜG demnächst Schluss sein.
Die Ruhrlandklinik in Essen vereinbarte im Jahr 2010 mit einer DRK-Schwesternschaft einen Gestellungsvertrag, nach dem es die Schwesternschaft übernimmt, Angehörige der pflegenden Berufe bei dieser Klinik einzusetzen. Dafür bekommt die DRK-Schwesternschaft ein Gestellungsentgelt, das die Personalkosten und eine dreiprozentige Verwaltungskostenpauschale umfasst. Das eingesetzte Pflegepersonal besteht aus Vereinsmitgliedern der Schwesternschaft, die berechtigt sind, einen Beruf in der Kranken- und Gesundheitspflege auszuüben.
Der Betriebsrat der Klinik verweigerte die Zustimmung zum Einsatz der Rotkreuzschwester Frau K, die dauerhaft eingesetzt werden sollte. Die Einstellung wurde als sog. vorläufige personelle Maßnahme vorgenommen und parallel dazu die gerichtliche Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung beantragt.
Dieser Antrag war vor dem Arbeitsgericht Essen (Beschluss vom 02.02.2012, 3 BV 94/11) und dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf erfolgreich (Beschluss vom 06.07.2012, 6 TaBV 30/12). Das BAG erließ allerdings einen Vorlagebeschluss für das EuGH, zur Klärung, ob ein Rotkreuzschwester in Fällen der hier vorliegenden Art unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG fällt (BAG, Beschluss vom 17.03.2015, 1 ABR 62/12 (A)).
Der Europäische Gerichtshof entschied, dass auch Vereinsmitglieder wie die Rotkreuzschwestern prinzipiell unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/104/EG fallen.
Zur Begründung gab der Gerichtshof an, dass es den Mitgliedsstaaten nicht freisteht, den Arbeitnehmerbegriff selbst festzulegen, da sie damit nach Gutdünken Personengruppen aus dem Anwendungs- bzw. Schutzbereich der Richtlinie herausnehmen könnten (Rn.37). Und da die Rotkreuzschwestern ähnlich wie Arbeitnehmer bzgl. Urlaub, Krankheit, Mutterschutz und Elternzeit geschützt sind, liegt es für den EuGH nahe, dass sie "aufgrund der von ihnen erbrachten Arbeitsleistung geschützt sind" (Rn.42).
Fazit: Der EuGH hat die letzte Entscheidung darüber, ob Rotkreuzschwestern nach deutschem Recht ähnlich wie Arbeitnehmer geschützt sind oder nicht, dem BAG überlassen. Dieser wird aufgrund des nunmehr geringen Spielraums aller Voraussicht nach zu dem Ergebnis kommen, dass Rotkreuzschwestern Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 2008/104/EG sind und damit auch unter den Anwendungsbereich des AÜG fallen.
Das könnte zur Folge haben, dass die Arbeit der etwa 22.000 Rotkreuzschwestern in Deutschland auf den Einsatz in den Einrichtungen des DRK beschränkt wird. Denn Tarifverträge gibt es nun einmal nicht für die DRK-Schwesternschaften, und es kann sie auch künftig nicht geben, da die Rotkreuzschwestern keine Arbeitnehmer, sondern Vereinsmitglieder sind. Zu sozialen Schutzlücken führt das nicht unbedingt: Rotkreuzschwestern genießen teilweise sogar einen besseren Schutz als nach dem besten Tarifvertrag. So können sie z.B. nur aus wichtigem Grunde aus der Schwesternschaft ausgeschlossen werden, d.h. ordentliche Kündigungen gibt es bei den DRK-Schwesternschaften nicht.
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Letzte Überarbeitung: 7. Februar 2017