Bei dem Begriff Sterbehilfe sind zwei Bedeutungen zu unterscheiden.
Zum einen meint Sterbehilfe das Begleiten einer Person, die bald sterben wird (Hilfe beim Sterben, z.B. in einem Sterbehospiz) und zum anderen bezeichnet Sterbehilfe die rechtlichen Bestimmungen der tatsächlichen Hilfe zum Sterben. Dieser Artikel bezieht sich auf die letztere Art der Sterbehilfe.
Rechtlich problematisch ist Sterbehilfe deswegen, weil starke Interessen sowie Moralvorstellungen und ethische Grundsätze aufeinandertreffen.
Einerseits hat jeder Mensch das Recht, über sich bzw. seinen Körper frei zu bestimmen. Dieses sogenannte Selbstbestimmungsrecht hat das Bundesverfassungsgericht aus den Art. 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) entwickelt. Das Selbstbestimmungsrecht schließt auch das Recht ein, mit seinen Körper so umzugehen, dass man nicht überleben kann, mit anderen Worten einen Selbstmord zu begehen. Kann man sich aus irgendwelchen Gründen das Leben nicht selbst nehmen, so ist also fraglich, ob einem jemand dabei helfen darf.
Darüber hinaus sehen viele im Grundrecht auf Menschenwürde in Art. 1 GG auch das Recht verankert, in Würde zu sterben.
Ärzte haben die Aufgabe und Pflicht, der Gesundheit der Menschen zu dienen (§ 1 Bundesärzteordnung, BÄO). Sie sollen eigentlich das Leben des Einzelnen erhalten und nicht verkürzen.
Andererseits sind auch Ärzte nicht verpflichtet, Leben um jeden Preis zu erhalten. So sagt auch die Bundesärztekammer in Bezug auf schwer geschädigte Neugeborene, dass eine Person, die sich offensichtlich im Sterbevorgang befindet, nicht künstlich am Leben gehalten werden muss.
Zum anderen sprechen aber auch ethische und moralische Vorstellungen gegen die Sterbehilfe, wonach sich ein Einzelner nicht anmaßen dürfe, über Leben und Tod zu entscheiden und es schwierig sei, die Grenze zwischen einer rechtmäßigen und unrechtmäßigen Sterbehilfe zu ziehen. Zuletzt haben auch die Euthanasieverbrechen des Dritten Reiches einen sensiblen Umgang mit dem Thema Sterbehilfe gefördert.
Man unterscheidet gemeinhin die aktive und die passive Sterbehilfe. Die aktive Sterbehilfe wird wiederum in die direkte sowie in die indirekte Sterbehilfe unterteilt. Daneben ist noch die Beihilfe zur Selbsttötung zu beachten, welche auch als Freitodbegleitung bezeichnet wird. Voraussetzung für alle Arten der Sterbehilfe sowie für die Freitodbegleitung ist stets, dass sie dem Willen des Patienten entsprechen (dazu unten).
Die direkte aktive Sterbehilfe liegt vor, wenn jemand eine Handlung vornimmt, die den Tod eines anderen herbeiführt und derjenige (also der, der handelt) dies weiß und auch will (gezielte Tötung). Allerdings muss der Handelnde die Situtation beherrschen und nicht nur Hilfe leisten, sonst liegt ein Fall der Beihilfe zur Selbsttötung vor (dazu unten). Die direkte aktive Steerbehilfe ist in Deutschland verboten.
Die indirekte aktive Sterbehilfe ist gegeben, wenn man jemanden zwar behandelt, aber nur mit dem Ziel, den Schmerz zu lindern und in Kauf nimmt, dass derjenige dadurch schneller verstirbt (lebensverkürzende Maßnahme). Dies kann zum Beispiel bei der Gabe von Morphium zur Schmerzlinderung der Fall sein. Allerdings gibt es vermehrt die Ansicht, dass eine ordnungsgemäß durchgeführte schmerzlindernde Behandlung nicht lebensverkürzend, sondern sogar etwas lebensverlängernd sei.
Unter der passiven Sterbehilfe versteht man das Sterbenlassen eines Menschen. Das heißt, dass auf lebensverlängernde Maßnahmen verzichtet wird. Eine gewisse Grundpflege wie das Reinigen, Befeuchten der Lippen und eine schmerzlindernde Behandlung werden allerdings fortgeführt. Voraussetzung für das Vorliegen der passiven Sterbehilfe ist stets, dass der Patient unter einer Erkrankung leidet, die irreversibel und tödlich ist.
Abzugrenzen von den beschriebenen Fällen der Sterbehilfe ist die sogenannte Beihilfe zur Selbsttötung bzw. Freitodbegleitung. Hierbei hilft man jemandem, sich selbst zu töten, zum Beispiel durch das Beschaffen oder Bereitstellen eines tödlichen Medikaments. Voraussetzung für die Beihilfe zur Selbsttötung ist, dass der Sterbende bis zum Schluss die Herrschaft über die Situation (sogenannte Tatherrschaft) behält und sie nicht an den Helfenden abgibt.
Voraussetzung für jede nicht strafbare Form der Sterbehilfe sowie für die Beihilfe zur Selbsttötung ist, dass sie dem Willen des Patienten entspricht. Auch dies ergibt sich aus dem oben erläuterten Selbstbestimmungsrecht eines jeden. Behandelt man jemanden gegen seinen Willen, ist dies nicht rechtens. Deswegen muss ein Arzt einen Patienten auch vor jeder Maßnahme aufklären, damit dieser sie versteht und einwilligen bzw. seine Einwilligung verweigern kann. Tut der Arzt dies nicht, macht er sich gemäß § 223 Strafgesetzbuch (StGB) der Körperverletzung strafbar oder - wenn der Patient verstirbt - des Totschlags gemäß § 212 StGB bzw. sogar des Mordes gemäß § 211 StGB. (Der Unterschied zwischen Totschlag und Mord ist, dass der Mord eine Tötung aus einem der in § 211 StGB genannten Gründe verlangt, während bei dem Totschlag der Beweggrund unerheblich ist.)
Ist der Patient nicht einwilligungsfähig, kann er also seinen Willen nicht äußern, so ist auf seinen mutmaßlichen Willen abzustellen. Das bedeutet, dass sein wahrer Wille anhand von Aufzeichnungen bzw. der Befragung von Betreuern bzw. Angehörigen zu erforschen ist. (Näheres können Sie unter den Stichwörtern Einwilligung bzw. Einwilligungsfähigkeit nachlesen.)
Die direkte aktive Sterbehilfe ist strafbar. Sie ist unter der Bezeichnung „Tötung auf Verlangen“ in § 216 StGB geregelt. Danach ist jemand, der einen anderen auf dessen Wunsch tötet, mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Dies gilt auch, wenn die Tötung nur versucht wurde (§ 216 Abs. 2 StGB), wobei die Strafe dann gemildert werden kann (§ 23 Abs. 2 StGB).
Wie oben angemerkt, nehmen Juristen die Tötung auf Verlangen aber nur an, wenn der Tötende die sogenannte Tatherrschaft bis zum Zeitpunkt des Todeseintritts inne hatte. Das heißt, er muss den Geschehensablauf in den Händen gehalten haben, ihn also bestimmt haben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn man jemandem eine Giftspritze injiziert und dann zusieht, wie derjenige stirbt, ohne Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Die Tatherrschaft wird abgelehnt, wenn man jemandem nur die Spritze in Reichweite hinlegt und sich dann vom Ort des Geschehens entfernt. Dann nämlich bestimmt der Patient selbst, ob er sich die Spritze injiziert und ob er sich anschließend helfen lässt oder nicht.
Nach neuester Rechtsprechung ist ein direkter, auf die Tötung abzielender Eingriff in den Behandlungsablauf auch erlaubt, wenn der Patient zuvor diese Form der Behandlung abgelehnt und in den Behandlungsabbruch eingewilligt hat. Diese Einwilligung kann mündlich oder in einer Patientenverfügung erfolgen (BGH, Urteil vom 25.06.2010, 2 StR 454/09).
Die indirekte aktive Sterbehilfe ist nicht strafbar. Der Tod stellt hier nur eine notwendige Folge der schmerzlindernden Behandlung dar.
Juristisch gesehen liegt nach überwiegender Auffassung zwar ein Totschlag vor, jedoch ist der Arzt gerechtfertigt, da er den Patienten ebenso wenig unter Schmerzen leiden lassen darf und das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auch hier zu achten sei.
Der Bundesgerichtshof hat insofern entschieden, dass an die Annahme des mutmaßlichen Willens des nicht einwilligungsfähigen Patienten erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Allein die künstliche Ernährung und Unfähigkeit zur Kontaktaufnahme reichen für die Annahme nicht aus. Neben früheren Äußerungen des Patienten sind seine religiöse Überzeugung, seine persönlichen Wertvorstellungen, seine altersbedingte Lebenserwartung und seine Schmerzen zu berücksichtigen. Lassen sich auch bei der gebotenen sorgfältigen Prüfung konkrete Umstände für die Feststellung des individuellen mutmaßlichen Willens des Kranken nicht finden, so kann und muss auf Kriterien zurückgegriffen werden, die allgemeinen Wertvorstellungen entsprechen.
Dabei ist jedoch Zurückhaltung geboten; im Zweifel hat der Schutz menschlichen Lebens Vorrang vor persönlichen Überlegungen des Arztes, des Angehörigen oder einer anderen beteiligten Person. Im Einzelfall wird die Entscheidung auch davon abhängen, wie aussichtslos die ärztliche Prognose und wie nahe der Patient dem Tode ist: Je weniger die Wiederherstellung eines nach allgemeinen Vorstellungen menschenwürdigen Lebens zu erwarten ist und je kürzer der Tod bevorsteht, um so eher wird ein Behandlungsabbruch vertretbar erscheinen.
Die passive Sterbehilfe ist grundsätzlich straffrei. Sie setzt voraus, dass das Grundleiden eines Kranken nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) sind, einen tödlichen Verlauf angenommen haben und der Tod in kurzer Zeit eintreten wird.
Ist eine derartige Prognose - insbesondere das Merkmal der unmittelbaren Todesnähe - gegeben, so hat der Sterbevorgang bereits eingesetzt. Dies erlaubt dem Arzt den Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie Beatmung, Bluttransfusion oder künstliche Ernährung.
Ob eine irreversible tödliche Krankheit vorliegt, entscheidet der Arzt aufgrund seiner medizinischen Überzeugung. Hat der Patient seinen diesbezüglichen Willen nicht geäußert, solange er noch konnte (siehe Patientenverfügung), ist der Patient nicht mehr ansprechbar und gibt es noch eine Behandlungsmöglichkeit für ihn, so muss der Arzt ihn entsprechend behandeln.
Die Freitodbegleitung wird juristisch als Beihilfe zur Selbsttötung gewertet und ist damit straffrei. Aufgrund des Selbstbestimmungsrecht ist es nämlich nicht verboten, sich selbst umzubringen. Die Beihilfe ist aber nur strafbar, wenn die Tat, bei der man hilft, strafbar ist. Wie oben angesprochen ist es aber wichtig, dass man nur hilft. Dies ist nicht der Fall, wenn man den Tatvorgang beherrscht.
Hat man als Arzt festgestellt, dass es sich um eine irreversibel tödliche Krankheit im obigen Sinn handelt, sollte geprüft werden, ob eine wirksame Patientenverfügung vorliegt. Ist dies der Fall, ist der Arzt daran gebunden.
Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, müssen der Arzt, der Bevollmächtigte und das Vormundschaftsgericht, die Entscheidung über den Behandlungsabbruch gemeinsam treffen.
Ist ein Betreuer bestellt, müssen der Betreuer und das Vormundschaftsgericht entscheiden.
Sind weder eine Patientenverfügung, noch eine Vorsorgevollmacht, ein Betreuer oder Angehörige gegeben, sollte man einen Betreuer bestellen und solange weiter behandeln.
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Letzte Überarbeitung: 13. Juli 2012