Der Arzt hat die Pflicht jede Behandlung schriftlich zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht umfasst dabei die Pflicht des Arztes, alle Beweisstücke, die er oder eine seiner Hilfspersonen im Rahmen der Behandlung eines Patienten selbst erzeugt oder von einem Dritten erhalten hat, zusammenzustellen. Diese Beweisstücke umfassen zum Beispiel Aufzeichnungen des Arztes, die Karteikarte des jeweiligen Patienten, Operationsberichte, Röntgenaufnahmen, sonstige Lichtbilder, EKG Streifen, usw.
Früher vertraten die Gerichte die Meinung, dass es für Ärzte keine Dokumentationspflicht gebe, sondern die Dokumentation nur ihrer Gedächtnisstütze diene. Seit Anfang der 70er Jahre hat sich diese Auffassung geändert. Seitdem gilt die Dokumentationspflicht als eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag.
Der Patient hat aufgrund seines verfassungsmäßig geschützten Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine ordnungsgemäße Dokumentation. Er hat also das Recht, zu wissen, was mit seinem Körper geschieht. Wenn er daher bewusstlos auf den Arzt trifft oder zu Behandlungszwecken narkotisiert wird, muss er wenigstens die Möglichkeit haben, sich im Anschluss daran über seine Behandlung informieren zu können. Deswegen hat er auch das Recht, Einsicht in seine Akten zu verlangen. Gegen Kostenerstattung kann er sogar Kopien der Akte verlangen. Das Einsichtsrecht gilt allerdings nicht für diejenigen Aufzeichnungen des Arztes, die seine subjektive Auffassung widerspiegeln.
Die Dokumentationspflicht ist in § 10 der Musterberufsordnung für Ärzte (MBO-Ä) festgehalten. Die MBO ist zwar rechtlich nicht verbindlich, sondern dient nur als Muster für die Berufsordnungen für Ärzte der einzelnen Länder. Allerdings haben die Länder, deren Berufsordnungen rechtlich verbindlich sind, die MBO-Ä zumeist wörtlich übernommen. Darüber hinaus ist die Dokumentationspflicht in einigen Spezialgesetzen wie der Röntgenverordnung (§ 28) und dem Jugendarbeitsschutzgesetz (§ 37) verankert. Für Vertragsärzte ergibt sie sich zudem aus § 295 Sozialgesetzbuch V (SGB V).
Zum einen dient die Dokumentation der Therapiesicherung. Wenn der Arzt den Patienten über einen längeren Zeitraum behandelt oder der Patient von mehreren Ärzten behandelt wird, soll sichergestellt werden, dass die Behandlung nicht unnötig verlängert wird, indem zum Beispiel bereits durchgeführte Untersuchungen wiederholt werden.
Zum anderen dient die Dokumentation dem Arzt, um gegebenenfalls Rechenschaft ablegen zu können. Dies gilt sowohl gegenüber dem Patienten, da er wie oben beschrieben, ein Recht hat, über seine Behandlung zu erfahren. Darüber hinaus soll dem Patienten damit auch die Möglichkeit eingeräumt werden, sich die Meinung eines zweiten Arztes einzuholen. Zudem kann der Arzt mittels der Dokumentation Rechenschaft gegenüber demjenigen ablegen, der die Leistungen bezahlen muss (der Patient beziehungsweise die Krankenkasse, zu Einzelheiten siehe unter Behandlungsvertrag).
Ein weiterer besonders wichtiger Zweck der Dokumentation ist die Beweissicherung. Kommt es im Rahmen der Behandlung zu Rechtsstreitigkeiten, kann anhand der Dokumentation nachgewiesen werden, ob die Behandlung erforderlich war und der Patient genügend aufgeklärt wurde.
Der Umfang der Dokumentationspflicht ergibt sich im Prinzip aus dem oben dargestellten Zweck der Dokumentation. Grundsätzlich gilt, je komplizierter die Behandlung ist, desto genauer sollte die Dokumentation erfolgen.
Zunächst sind jedenfalls die Anamnese (die Vorgeschichte des Patienten in Bezug auf die Krankheit), die Diagnose sowie der Therapieverlauf zu verzeichnen. Dabei sollten alle Maßnahmen, die medizinisch notwendig sind, notiert werden. Es müssen allerdings nur die jeweiligen Grundlagen der Behandlung dokumentiert werden.
Die Erwähnung von Details ist nur notwendig, wenn die Dokumentation ansonsten nicht verständlich wäre. Insoweit ist auf einen Fachmann, nicht auf einen medizinischen Laien abzustellen. Auch Verhaltensweisen des Patienten, die medizinische Konsequenzen herbeiführen können und auf die er entsprechend hingewiesen wurde, sind in die Dokumentation aufzunehmen (z.B. das Bein möglichst zu belasten, um einer Thrombose vorzubeugen).
Nicht aufzuzeichnen sind Routinemaßnahmen wie die Desinfektion der Haut vor einer Injektion. Unbedingt aufgezeichnet werden müssen allerdings Abweichungen vom erwarteten Normalverlauf der Behandlung. Darüber hinaus sollte die Aufklärung des Patienten sowie seine Allergien dokumentiert werden. Auch wenn der Patient eine Behandlung ablehnt, obwohl er über ihre Notwendigkeit aufgeklärt wurde oder sich gegen den ärztlichen Rat aus dem Krankenhaus entfernt, sollte dies vermerkt werden. Wird die Behandlung von einem Berufsanfänger durchgeführt, ist dies ebenfalls zu verzeichnen und die Dokumentation besonders sorgfältig durchzuführen.
Erfolgt die Dokumentation wie heutzutage üblich auf einem elektronischen Medium (in der Regel per Computer), müssen besondere Sicherungsmaßnahmen getroffen werden, die verhindern, dass die Daten unrechtmäßig verwendet, vorzeitig zerstört oder nachträglich verändert werden. Bei einem Krankenhaus ist zu beachten, dass wenn die Patientenakte extern angelegt wird, eine Einwilligung des Patienten zur Speicherung seiner Daten erforderlich ist.
Nein, ein Verzicht des Patienten auf die Dokumentationspflicht ist nicht möglich. Da aufgrund der Vielzahl der von dem Arzt zu behandelnden Patienten nicht gewährleistet werden kann, dass er alle dokumentationspflichtigen Informationen im Gedächtnis behält, kann sonst nämlich eine ordnungsgemäße Behandlung nicht gewährleistet werden. In der Folge müsste der Arzt, um sich nicht haftbar zu machen, die Behandlung ablehnen.
Die Dokumentation ist spätestens vor der Weiterbehandlung (durch denselben oder einen anderen Arzt) vorzunehmen. Da ein Arzt aber aufgrund der Vielzahl seiner Patienten kaum gewährleisten kann, sich lediglich auf seine Gedächtnisleistung zu verlassen, um eine ordnungsgemäße Behandlung zu sichern, sollte die Dokumentation unmittelbar nach der jeweiligen Behandlung erfolgen.
Im Anschluss an die Behandlung sind die Dokumente 10 Jahre aufzuheben, soweit sich nicht aus anderen Gesetzen eine längere Aufbewahrungsdauer ergibt. Dies ist zum Beispiel nach der Röntgenverordnung (§ 28) der Fall, die eine 30jährige Aufbewahrung vorsieht. Eine nachträgliche Veränderung der Aufzeichnungen ist nach Abschluss der Dokumentation mit Ende der Behandlung nicht mehr zulässig.
Die Dokumentationspflicht trifft grundsätzlich denjenigen, der die zu dokumentierende Handlung vornimmt. Somit kann nicht nur der Arzt, sondern auch sein Hilfspersonal von der Dokumentationspflicht betroffen sein. Die Dokumentation selbst wiederum kann auch auf einen anderen übertragen werden. So kann beispielsweise der Chefarzt einen Assistenzarzt mit der Dokumentation einer vom Chefarzt durchgeführten Maßnahme, die dokumentiert werden muss, beauftragen.
Eine Verletzung der Dokumentationspflicht liegt vor, wenn die Dokumentation gar nicht oder nur unvollständig erfolgte bzw. wenn die Dokumentation nachträglich verändert wurde.
Rechtlich relevant wird eine Verletzung der Dokumentationspflicht insbesondere, wenn dem Arzt ein Behandlungsfehler vorgeworfen wird. In diesen Fällen kann die Verletzung zu einer Beweiserleichterung bis hin zu einer Umkehr der Beweislast führen. Das bedeutet, dass im extremsten Fall nicht mehr der Patient beweisen muss, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist, sondern umgekehrt der Arzt dem Patienten beweisen muss, dass ihm gerade kein Fehler unterlaufen ist. Insofern gilt nämlich, dass alles, was nicht dokumentiert wurde, auch nicht stattgefunden hat (die Nichtvornahme gilt als indiziert), sofern nichts Gegenteiliges vom Arzt bewiesen wird.
Der Patient könnte von dem Arzt also unter Umständen sogar Schadensersatz mit dem Ziel, von der Honorarforderung freigestellt zu werden, fordern. Dies wäre möglich, wenn der Patient sich darauf beruft, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein und der Arzt ihm das Gegenteil aufgrund der fehlenden Dokumentation der Aufklärung nicht beweisen kann. (Nähere Informationen zu dem Stichwort Aufklärungspflicht finden Sie hier.)
Verletzt ein Krankenhausträger seine Dokumentationspflicht, kann darüber hinaus der Krankenhausträger aus dem sog. Organisationsverschulden haften. Der Krankenhausträger ist nämlich verpflichtet, die Einhaltung der Dokumentationspflicht zu überprüfen.
Auch darüber hinaus kann die Verletzung der Dokumentationspflicht für den Arzt unter Umständen abrechnungstechnische Konsequenzen haben. Dies gilt zum Einen für den Vertragsarzt, da er verpflichtet ist, der Krankenkasse und der Kassenärztlichen Vereinigung seine Unterlagen vorzulegen. Zum anderen ist der Krankenhausträger davon betroffen, da er eine ordentliche Dokumentation zur Einordnung der Behandlung in eine sogenannte Fallpauschale benötigt (siehe Diagnosis Related Group).
Verletzt ein Arzt seine Dokumentationspflicht in besonders grobem Maße, kann ihm von der Kassenärztlichen Vereinigung zudem seine Zulassung als Vertragsarzt entzogen werden. Dagegen kann ein Widerspruchsverfahren vor dem Berufsgericht durchgeführt werden. Ist es erfolglos, kann Klage vor dem Sozialgericht erhoben werden.
Unsere Büros können Sie von Montag bis Freitag, jeweils von 09:00 Uhr bis 20:00
Uhr, unter folgenden Anschriften in Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Hannover, Köln, München, Nürnberg
und Stuttgart erreichen:
Letzte Überarbeitung: 6. Februar 2013