Wenn Arbeitnehmer wegen einer (unverschuldeten) Erkrankung ihrer arbeitsvertraglichen Aufgaben nicht mehr nachkommen können, sind sie arbeitsunfähig erkrankt.
Ebenso wie die Arbeitspflicht entfällt dann auch der Anspruch auf Beschäftigung. In dem Fall greift § 3 Abs.1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), wonach erkrankte Arbeitnehmer ihren Gehaltsanspruch sechs Wochen lang behalten.
Im arbeitsrechtlichen Sinne gehören zur Krankheut nicht nur medizinische Leiden, sondern auch die durch das Leiden unmöglich werdenden arbeitsvertraglichen Aufgaben.
Weist der Arbeitgeber die ihm angebotene Arbeitsleistung zurück, weil er der Meinung ist, der Arbeitnehmer sei arbeitsunfähig erkrankt, ist für den Anspruch zu prüfen, welche Arbeitsaufgaben der Arbeitnehmer zuletzt zugewiesen bekommen hat. Anhand dessen ist zu entscheiden, ob er diese Aufgaben aufgrund der Erkrankung nicht mehr erfüllen kann.
Das BAG hat 2010 dazu entscheiden, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig ist, wenn er einen bestimmten Aufgabenkreis gemäß der ihm zuletzt erteilten Weisungen nicht mehr erledigen kann (BAG, Urteil vom 19.05.2010, 5 AZR 162/09).
Der Arbeitnehmer kann die Zuweisung anderer Aufgaben unter Hinweis auf seine Erkrankung nicht verlangen, auch nicht als Schonarbeitsplatz. Das Weisungsrecht obliegt nämlich nicht ihm, sondern dem Arbeitgeber. Auch wenn gem. dem BAG Beschäftigungsansprüche in solchen Fällen nicht durchsetzbar sind, kann sich der Arbeitgeber schadenersatzpflichtig machen, wenn er zumutbare Schonarbeitsplätze nicht zuweist.
Kann also eine Krankenschwester, die aus gesundheitlichen Gründen keine Nachschicht mehr machen kann, von ihrer Klinik die ausschließliche Einsetzung in Tagesschichten verlangen? In dem Fall müsste Sie trotz ihrer Nachtdienstuntauglichkeit gemäß der ihr zuletzt zugewiesenen Aufgaben als Krankenschwester einsetzbar sein.
Eine 49jährige Krankenschwester, die seit über 29 Jahren im Potsdamer Klinikum Ernst von Bergmann (EvB) beschäftigt war, war aufgrund von Medikamentenbehandlung nicht mehr in der Lage in der Nachschicht zu arbeiten. Im Juni 2012 wurde sie daher vom Pflegedirektor als arbeitsunfähig befunden und nach Hause geschickt.
Die Krankenschwester schlug daraufhin vor, sie tagsüber einzusetzen und bot umgehend ihre Arbeit an. Ihr Arbeitgeber lehnte jedoch ab. Die Krankenschwester erhob deshalb Klage auf Beschäftigung und Zahlung von Annahmeverzugslohn. Da die sechs Wochen Entgeltfortzahlung überschritten waren und die Krankenkasse keine Arbeitsunfähigkeit erkannt und demnach kein Krankengeld zahlte, war sie nunmehr auf Arbeitslosengeld angewiesen.
Sowohl das Arbeitsgericht Potsdam (Urteil vom 14.11.2012, 8 Ca 1434/12) als auch das Landgericht (LAG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 30.05.2013, 5 Sa 78/13) entschieden, dass das EvB mit seinen über 1.000 Betten und seinen mehr als 2.300 Arbeitnehmern in der Lage sein sollte, eine Krankenschwester in den Tagschichten einzusetzen.
Auch das BAG gab der Krankenschwester Recht und wies die Revision des Krankenhauses zurück. In der derzeit allein vorliegenden Pressemeldung des BAG heißt es zur Begründung:
Eine Krankenschwester ist nicht allein deshalb arbeitsunfähig, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, im Krankenhaus Nachtschichten zu leisten, so das BAG. Daher kann sie Beschäftigung ohne Einteilung für Nachtschichten verlangen.
Da die Klägerin im vorliegenden Fall ihre Arbeit ordnungsgemäß angeboten hatte und alle vertraglich geschuldeten Tätigkeiten einer Krankenschwester ausführen konnte, hatte sie auch Anspruch auf Vergütung für die Zeit des Annahmeverzuges. Außerdem hätte das EvB bei der Schichteinteilung auf das gesundheitliche Defizit der Klägerin Rücksicht nehmen müssen.
Fazit: Die Arbeitszuweisung, als Krankenschwester im Schichtdienst zu arbeiten, konnte die Schwester mit geringfügigen zeitlichen Einschränkungen erfüllen. Die Einschränkungen führen jedoch nicht zur Arbeitsunfähigkeit.
Die Weisung der Klinik, als Schwester zu arbeiten hatte Bestand, konnte erfüllt werden und eine andere Weisung gab es nicht. Dementsprechend war es unerheblich, ob die Klägerin einen Schonarbeitsplatz verlangen konnte oder ob die Nachtschichtuntauglichkeit eine „Behinderung“ im Sinne von § 106 Satz 3 Gewerbeordnung (GewO) ist, auf die der Arbeitgeber hinsichtlich der Weisungen Rücksicht nehmen muss.
Hätte die Krankenkasse der Klägerin Krankengeld gewährt, wäre diese nicht gezwungen gewesen, gegen die kalte Kündigung ihres Arbeitgebers vorzugehen. Vielen Arbeitnehmer freunden sich vorerst mit dem Krankengeld an und vernachlässigen dabei, das die Reaktivierung eines Arbeitsverhältnisses nach 18 Monaten sehr schwer ist, da die Arbeitsfähigkeit danach oft bezweifelt wird.
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Letzte Überarbeitung: 9. Februar 2017