Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ist laut § 95 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) eine fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtung, in der Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Das MVZ ist zum 1.1.2004 als völlig neuer Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung eingeführt worden. Die Polikliniken der DDR gelten als Vorbild für das MVZ.
Unter einer Einrichtung im Sinne von § 95 Abs. 1 S. 1 SGB V versteht man eine räumlich abgrenzbare Einheit wie zum Beispiel eine Arztpraxis, ein Krankenhaus oder eine Krankenhausabteilung.
Eine Einrichtung ist fachübergreifend, wenn dort Ärzte mit verschiedenen Facharzt- oder Schwerpunktbezeichnungen tätig sind. Das Kriterium des Fachübergriffs soll gewährleisten, dass mehrere Leistungen, ärztliche und nichtärztliche, sozusagen „aus einer Hand“ erfolgen.
Eine ärztliche Leitung ist gegeben, wenn ein Arzt die Leitung des Medizinischen Versorgungszentrums in der Binnenstruktur übernimmt, d.h. die ärztlichen Entscheidungen trifft und das Medizinische Versorgungszentrum nach außen hin vertritt. Der vertragsärztliche Leiter muss dabei tatsächlich zur Verfügung stehen. Sind in dem Versorgungszentrum Angehörige unterschiedlicher Berufsgruppen tätig, wie zum Beispiel ein Arzt, ein Zahnarzt und ein psychologischer Psychotherapeut, kann die Leitung auch in Form der „kooperativen Leitung“ erfolgen. Dabei muss die Leitung nach den Berufsgruppen aufgeteilt werden.
Ein Kaufmann kann nicht (ärztlicher) Leiter des MVZ sein! Allerdings muss neben der ärztlichen Leitung auch eine kaufmännische Leitung des Geschäftsbetriebes eingerichtet werden.
Ein MVZ kann von allen Leistungserbringern, die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen, gegründet werden (§ 95 Abs. 1 S. 6 SGB V).
Als Gründer kommen in Betracht:
- zugelassene und ermächtigte Ärzte, Zahnärzte, Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten,
- zugelassene Krankenhäuser,
- ermächtigte ärztliche Einrichtungen,
- Vorsorge und Rehabilitationseinrichtungen,
- Einrichtungen zur Durchführung ambulanter Schwangerschaftsabbrüche und Sterilisationen nach § 75 Abs. 9 SGB V,
- Einrichtungen des Müttergenesungswerks oder gleichartige Einrichtungen,
- Hebammen,
- Erbringer von Heilmitteln,
- Hilfsmittellieferanten,
- Apotheken bei Geltung des Rahmenvertrages (§ 129 Abs. 3 SGB V),
- Dienste zur Erbringung häuslicher Krankenpflege,
- Einrichtungen zur Versorgung mit Soziotherapie,
- Einrichtungen zur Erbringung sozialmedizinischer Nachsorgemaßnahmen,
- Eigeneinrichtungen von Krankenkassen.
Pharmazeutische Unternehmen können kein Medizinisches Versorgungszentrum gründen, denn nicht die pharmazeutischen Unternehmen, sondern die Apotheken nehmen an der medizinischen Versorgung der Versicherten teil.
In der Praxis nutzen viele finanzstarke Investoren die Möglichkeit einer MVZ-Gründung. Über 100%ige Tochtergesellschaften werden Verträge mit den Krankenkassen geschlossen, z.B. über Hilfsmittellieferungen, wodurch die Tochtergesellschaften zu Leistungserbringern werden und das MVZ gründen können.
Ein MVZ kann laut § 95 Abs. 1 S. 6 SGB V in jeder rechtlich zugelassenen Organisationsform gegründet werden. Als Organisationsformen kommen danach vor allem die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die BGB-Gesellschaft von privaten oder öffentlichen Trägern (GbR) sowie die Aktiengesellschaft (AktG).
Gründung und Betrieb eines MVZ sind jedoch auch als natürliche Einzelperson, Stiftung oder andere europäische Kapitalgesellschaft, z.B. Limited (Ltd.), möglich.
Eine Organisation als Handelsgesellschaft (z.B. OHG, KG, GmbH & Co KG oder Stille Gesellschaft) ist unzulässig, weil sie den Betrieb eines Handelsgewerbes voraussetzt. Die Erbringung ärztlicher Leistungen ist jedoch kein Gewerbe.
Ein eingetragener Verein (eV) kann ebenfalls nicht gewählt werden, weil der Zweck eines solchen Vereins nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein darf. Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftbetrieb gerichtet ist, erlangt mangels Eintragung wiederum nur in Ausnahmefällen Rechtsfähigkeit (vgl. § 22 Bürgerliches Gesetzbuch).
Einzelne Berufsordnungen sehen vor, dass Ärzte die ambulante Heilkunde nicht in Form einer Kapitalgesellschaft ausüben dürfen.
Die Gründung eines MVZ muss jedoch aufgrund der eindeutigen Absicht des Gesetzgebers möglich sein. Die Gründung eines MVZ durch mehrere Vertragsärzte in Form einer GmbH und die Anstellung von weiteren Ärzten verstößt daher nicht gegen das Berufsrecht.
Es ist hingegen noch nicht geklärt, ob die Tätigkeit eines Vertragsarztes in einem MVZ, das in der Form einer GmbH organisiert ist, gegen Berufsordnungen der Länder, die ein Verbot der Tätigkeit in Kapitalgesellschaften vorsehen, verstößt.
Die Zulassung erwirbt das Medizinische Versorgungszentrum selbst. Das MVZ erhält einen Vertragsarztsitz und eine eigene Abrechnungsnummer. Die Zulassung des MVZ erfolgt für den Ort der Niederlassung, das ist der Ort, an dem die ärztlichen Dienstleistungen erbracht werden. Ein MVZ kann nur einen Vertragsarztsitz haben.
Dadurch wird aber nicht ausgeschlossen, dass das MVZ - standortübergreifend - an mehreren Standorten tätig ist. Es kann „Außenstellen“ gründen und betreiben, was aber die Genehmigung der Kassenärztlichen Vereinigung/der Zulassungsausschüsse voraussetzt (§§ 24 III, 1 III Nr. 2 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, "Ärzte-ZV").
Ärzte können in einem MVZ als angestellte Ärzte oder Vertragsärzte arbeiten.
Jeder in einem MVZ tätige Arzt bedarf einer eigenen Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Ein Vertragsarzt besitzt diese Zulassung mit seiner Zulassung als Vertragsarzt. Ein angestellter Arzt bedarf einer entsprechenden Genehmigung durch den Zulassungsausschuss.
Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung vor, hat der Arzt einen Anspruch auf die Zulassung. Dies ergibt sich aus der Ärzte-ZV und § 95 Abs. 2 S. 8 SGB V. Bei der Arbeitszeitgestaltung ist § 3 Satz 1 ArbZG zu beachten. Angestellte Ärzte eines MVZ unterliegen auch der Notfalldienstpflicht (§ 75 Abs 1 Satz 2 SGB V).
Nach § 20 Abs 2 S 2 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV ist es mit Inkrafttreten des VÄndG nunmehr auch möglich, dass ein in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) in Teilzeit angestellter Arzt zusätzlich in einem MVZ in Teilzeit tätig sein kann.
Der Vertragsarzt wird nicht etwa auf eigene Vertragsarztrechnung, sondern unter dem Zulassungsstatus und auf Abrechnungsnummer des MVZ tätig. Die Zulassung des Vertragsarztes wird also von der Zulassung des MVZ „überlagert“.
Vor der Zulassung eines Medizinischen Versorgungszentrums als juristische Person des Privatrechts, also zum Beispiel als GmbH oder AG, müssen sämtliche Gesellschafter eine sogenannte selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung abgeben. Darin müssen sie erklären, für Forderungen der kassenärztlichen Vereinigungen oder Krankenkassen gegen das Medizinische Versorgungszentrum aus der vertragsärztlichen Tätigkeit des Zentrums, einzustehen (§ 95 Abs. 2 S. 6 SGB V).
Damit sollen Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und der Krankenkassen abgesichert werden, die bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen auch noch nach Auflösung des MVZ entdeckt werden könnten. Da die Regelung in § 95 Abs. 2 S. 6 SGB V erst seit dem 1.1.2007 existiert, ist noch nicht geklärt, ob die Abgabe einer Bürgschaft auch bei Aufnahme eines neuen Gesellschafters in ein bereits bestehendes MVZ notwendig ist.
Im Rahmen des Betriebs eines Medizinischen Versorgungszentrums stellen sich rechtliche Probleme vor allem bei der Organisation, der Haftung und Vergütung. Der Betrieb des Zentrums ist im Gegensatz zu den anderen Ebenen auch nicht speziell im Sozialgesetzbuch V geregelt.
Hinsichtlich der Organisation ist neben der oben erläuterten ärztlichen Leitung auch eine kaufmännische Leitung des Zentrums einzurichten. Diese muss Geschäftsführungsbefugnisse besitzen und ist für die Leistungsabrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung zuständig und auch verantwortlich.
Hinsichtlich der Haftung gelten die allgemeinen Grundsätze der Arzthaftung. Der Behandlungsvertrag kommt bei einer Behandlung in einem Medizinischen Versorgungszentrum stets zwischen dem Patienten und dem Zentrum zustande.
Die Vergütung von vertragsärztlichen Leistungen, also Leistungen gegenüber gesetzlich versicherten Personen richtet sich nach den allgemeinen Vergütungsregeln. Es bestehen also insofern keine Besonderheiten in Bezug auf die Leistungserbringung in einem Medizinischen Versorgungszentrum. Die Vergütung von privatärztlichen Leistungen kann nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erfolgen, es sei denn das Zentrum ist als GmbH organisiert. In diesem Fall kann allerdings eine entsprechende Geltung der GOÄ vereinbart werden.
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Letzte Überarbeitung: 20. April 2012